Die Einführung der EURO-Banknoten und -Münzen als Zahlungsmittel in den kommenden Jahren stellt neben den vielen bekannten Chancen auch eine völlig neue und bereits aktuelle Bedrohung durch Mißbrauch dieser weltweit einmaligen Aktion dar. Sind doch eine Vielzahl nationaler europäischer Banknoten und Münzen in einem festgelegten Zeitraum in den Euro umzutauschen. Vorgelagert sind ihr Druck beziehungsweise ihre Prägung, der Transport durch ganz Westeuropa und andere notwendige Maßnahmen. Geld zog schon immer kriminelle Aktivitäten an. Bei dieser Aktion muß man jedoch weltweit mit besonderer krimineller Energie rechnen.
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Die Ursachen liegen vor allem in der Verbreitung der Währungen, der Einmaligkeit der Möglichkeiten und den Schwierigkeiten des kombinierten nationalen und internationalen Schutzes. Gefordert sind somit neue Formen der Prävention und Abwehr mit internationaler Ausrichtung. Neben den verschiedenen Möglichkeiten der Fälschung und des Betrugs sollen im folgenden auch die absehbaren Bedrohungen seitens der Organisierten Kriminalität (OK) vor allem beim Umtausch der "Osteuropa-Zweitwährung DM" betrachtet werden. Ausgewertet werden hier vor allem bereits öffentlich vorliegende Erkenntnisse, zum Beispiel des Bundeskriminalamtes, und von Journalisten und Verbraucherschützern durchgeführte Tests auf Betrugsmöglichkeiten.
Experten
registrieren wachsende Beachtung der mit dem Umtausch entstehenden speziellen Probleme für Osteuropa, eine entweder illegal erworbene oder nicht versteuerte Zweitwährung 1) zu tauschen.
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Falschgeld
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Zwei Grundformen werden vorrangig vermutet und festgestellt.
Dazu gehört zum einen die Fälschung der bisherigen nationalen Banknoten und der Versuch, diese im Rahmen der zu erwartenden Hektik während der Umtauschmonate relativ risikofrei umzutauschen. In Deutschland schränkt der bargeldlose Zahlungsverkehr diese Möglichkeiten zwar ein; wie bei jedem Währungsumtausch werden jedoch absehbar große Mengen außerhalb von Banken gelagerter Banknoten und Münzen auftauchen. Während in der Vergangenheit vor allem die als Zweitwährung in Osteuropa beliebte Deutsche Mark und der US-DOLLAR gefälscht wurden, lohnt sich dies jetzt auch mit den bisher weniger bevorzugten, aber leichter zu fälschenden Währungen anderer westeuropäischer Staaten.
Dabei ist zu beachten, daß es in den osteuropäischen Staaten mit den Zweitwährungen auch einen relativ geschlossenen Kreislauf mit gefälschten Banknoten gibt, der bisher überwiegend nur diesen Markt betroffen hatte. Geschätzt wird, daß etwa 10 Prozent der sich im Umlauf befindenden Menge an D-Mark in Osteuropa gefälscht sind. Zum Schock des Umtauschs kommt dann noch die Erkenntnis der Wertlosigkeit, was aufgrund der Mengen an D-Mark und der hohen Anzahl Betroffener auch zu sozialen Spannungen führen kann. Die Aufdeckung der Fälschungen während der Umtauschversuche stellt hohe Anforderungen an das Personal und an die Strafverfolgungsbehörden.
Bei der zweiten Form handelt es sich um die Fälschung und Einführung neuer Euro-Banknoten und –Münzen unter Ausnutzung der anfänglichen Unkenntnis über deren Aussehen und Merkmale. Die Tatsache, daß der Druck beziehungsweise die Prägung der Noten und Münzen in allen beteiligten Staaten erfolgt, trägt nicht zur Minimierung dieser Vorgehensweise bei. Neben dem Risiko, Herstellungswissen an die OK zu verlieren, wächst die Möglichkeit von Toleranzen und geringsten Unterschieden, die wiederum die Aufdeckung von Fälschungen erschweren. Insoweit sind bestimmte politisch akzentuierte Entscheidungen nicht immer als vorbeugende Maßnahmen gegen kriminellen Mißbrauch.
Die Hauptform der Prävention kann nur die Aufklärung der Bevölkerung sein. Dem muß die Schulung des Kassenpersonals und aller professionell mit den neuen Banknoten und Münzen Beschäftigten parallel folgen. Hier erkennen wir lukrative Tätigkeitsfelder für private Sicherheitsunternehmen und Schulungsanbieter. Natürlich ergeben sich spezielle Aufgaben auch dahingehend, daß die Einführung gefälschter Banknoten und Münzen so weit wie möglich verhindert wird. Die zunehmenden Ströme von Flüchtlingen, schnellen Hilfssendungen und ähnliches begünstigen jedoch die Einschleusung. Dazu zählen ohne Zweifel auch die vielen Auswirkungen der aktuellen politischen und militärischen Auseinandersetzungen auf dem Balkan. Dabei geht es nicht nur um die Flüchtlingsströme, es bleibt auch objektiv viel weniger Aufmerksamkeit und Zeit für die anderen europäischen Probleme und die sich daraus ergebenden Möglichkeiten zum Mißbrauch.
Es darf unterstellt werden, daß die OK einerseits die Balkan-Krise direkt nutzt, andererseits aber auch die davon begünstigten Lücken und Defizite in vielen EU-Staaten mißbraucht.
So sind Erscheinungen der politisch akzentuierten Gelderpressung in Form unfreiwilliger Spenden bereits festgestellt worden. Ausgehend von den Erfahrungen aus Bosnien-Herzegowina bei der Umsetzung der Hilfsprogramme sind auch westeuropäische Mittäterschaften und Begünstigungen zu erwarten.
Geldwäsche
Der Versuch, die Euro-Einführung zur professionellen Geldwäsche zu nutzen, ist absehbar und wird vorbereitet. Der bereits jetzt festgestellte Trend verweist auf die Zunahme unbarer Formen. Rein pragmatisch gesehen werden jedoch die Belastungen durch den Bargeldumtausch zeitweilig dominieren, und jede andere Umtauschform wird von den Banken als Erleichterung bewertet werden.
Es werden in der Regel zwei Ziele angestrebt:
- Vorrangig illegal oder auch legal erworbenes, jedoch rechtswidrig nicht versteuertes Bargeld soll in legales Buchgeld umgewandelt werden.
- Die bisher genutzte westeuropäische Währung soll in die neue Währung getauscht und damit die zukünftigen Nutzungsräume für rechtswidrige Handlungen gleichzeitig erweitert werden.
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Allerdings sollen sich auch "Steuersparer" mit kriminellen Veranlagungen bereits Gedanken machen, wie man den kurzen Zeitraum der Euro-Einführung einerseits nutzen und andererseits Aufdeckungen ihrer bisherigen Aktivitäten vermeiden kann.
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Es ist auch zu konstatieren, daß die Rechtslage sehr unterschiedlich ist und Interessenkonflikte absehbar sind. So ist die Tatsache, als osteuropäisches Unternehmen rechtmäßig erworbenes Vermögen nicht versteuert zu haben, nicht in jedem Fall in Westeuropa strafbar. Ein einfaches Beispiel ist die in Deutschland für den ausländischen Empfänger steuerfreie Vermittlungsprovision, nicht immer zu unterscheiden von sogenannten Schmiergeldern. Sie wird erfahrungsgemäß im osteuropäischen Heimatland nicht angezeigt, obwohl rechtmäßig erlangt. Ihr Tausch erfolgt entweder über die bereits vorhandenen Konten in Westeuropa oder muß direkt organisiert werden.
Da sich die Konteneröffnung für Ausländer in der EU vereinfacht hat, sollte immer zuerst der offizielle Weg versucht werden. Ansatzpunkte können hier nur der Versuch der Einzahlung größerer Beträge oder die unübliche Überweisung sein. Dazu benötigt die OK jedoch nicht den deutschen Markt. Immerhin liegt bereits jetzt die Einziehung nachgewiesener Taterlöse der OK in der Regel durchschnittlich unter 5 Prozent, was auf Erfahrung und funktionierende Strukturen schließen läßt.
Der absehbare Massenumtausch begünstigt diese Form des Mißbrauchs der Euro-Einführung besonders. Inwieweit die in Deutschland vorgeschriebenen Formen der Verdachtsanzeigen oder Informationen ausreichen, bleibt abzuwarten. Anzuzweifeln ist deren Wirksamkeit dann, wenn der Mißbrauch organisiert und damit professionell geplant erfolgt. Immerhin steht nun halb Europa zum Umtausch zur Verfügung.
Der Transport von Banknoten über die Grenzen in den neuen Währungsraum sollte nicht so problematisch sein. Er wird angesichts der enormen Mengen und des absehbaren Profits organisiert werden, analog dem Waffen- und Rauschgifthandel. Der meines Erachtens zu kurze Umtauschzeitraum wird auch organisatorische Probleme hervorrufen. Im übrigen setzt dieses Verfahren Loyalität in den Banken voraus. Immerhin besteht bereits ausreichende Übung durch die enormen Mengen von Fluchtkapital aus Rußland und den anderen GUS-Staaten, bekannterweise gut organisiert oder "übersehen" und nicht nur beschränkt auf private Unternehmen.
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Politische Entscheidungsträger sollen bereits über eine Verkürzung der bisher geplanten mehrmonatigen Umtauschzeit nachdenken. Vor einem solchen Schritt kann nur eindringlich gewarnt werden.
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Die bereits jetzt sehr kurz bemessene Zeit begünstigt kriminellen Mißbrauch, daneben ist mit ganz normalen menschlichen Fehlern zu rechnen. Bei Dateneingaben und ähnlichen Handlungen werden auch ohne kriminelle Motive über 2 Prozent Fehler verursacht. Ob sich diese Fehler dann tatsächlich störend auswirken, hängt entscheidend von den Arbeitsbedingungen und Kontrollmechanismen ab. Ob die Software der Banken auf diese kurzzeitigen speziellen Bedingungen europaweit einheitlich eingestellt ist, bleibt abzuwarten.
Wir verweisen auch auf die festgestellten Formen der Umwandlung von Bargeld aus Osteuropa in Buchgeld über nutzbare Finanz- und Versicherungsprodukte möglichst vor dem entscheidenden Umtauschjahr. Weiterhin sollte der Gründung von Filialen von Nicht-EU-Unternehmen in Zukunft größere Aufmerksamkeit gewidmet werden. Diese bieten sich gleich für mehrere rechtswidrige Praktiken an:
- Umgehen der nationalen Steuergesetze mittels einer Zweitbuchhaltung zur Sicherung der Schwarzgeldgeschäfte
- Einrichtung vieler Konten im westeuropäischen Währungsraum
- Mißbrauch des Euro-Umtauschs zum Waschen von Vermögen, welches im Heimatland nicht benötigt und demzufolge als Gewinn nicht versteuert wird.
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Die laufenden Verfahren gegen Polizeiangehörige in Berlin und anderen deutschen Großstädten wegen Verdachts der Korruption und andere Delikte bestätigen die Annahmen, daß die OK bereits sehr wohl zur Absicherung ihrer Geschäfte Fuß gefaßt hat.
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Verwunderlich ist allerdings das zur Schau gestellte Erstaunen deutscher Strafverfolgungsbehörden und zum Teil auch der Presse über die Enthüllungen. In Osteuropa ist sehr wohl schon seit längerem bekannt, in welchen deutschen Städten das sich Risiko für bestimmte "Geschäfte" minimieren läßt. Wer in der Regel freitags mit den Zügen aus Rußland mit Taschen voller Bargeld in Deutschland einreist, muß sich eigentlich nur vor den eigenen Landsleuten in acht nehmen.
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Überfall
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Hierunter sollten vor allem Überfälle auf Banken, Lager von Geldbeständen vor und in der Umtauschphase sowie auf Geld- und Werttransporte sowie die Geldbearbeitung zählen. An sich handelt es sich nicht um neue Begehungsweisen, sondern in einem bestimmten Zeitraum sind diese klassischen Delikte begünstigt und versprechen auch mehr kriminellen Erfolg. In Deutschland ist zu beachten, daß die Überfälle auf Geld- und Werttransporte schon jetzt auch ohne Euro-Hintergrund zunehmen. Diese Entwicklung wird begünstigt durch Mängel in der Organisation und Personalarbeit sowie dem Einsatz nicht ausreichend geschützter Fahrzeuge.
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Dabei ist nach Auffassung des Autors nicht die entscheidende Frage, ob der Standard formal-juristisch eingehalten wurde. Wichtiger ist vielmehr, ob die vielfach genutzte Leichtpanzerung unter der zunehmenden Bedrohung durch die OK objektiv noch ausreicht.
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Wenn sich ein Wachmann, wie bei einem Überfall in Berlin geschehen, im Geldtransport-Fahrzeug in Sicherheit bringt und von außen durch einen Schuß verletzt worden sein soll, ist diese Frage sicher berechtigt.
Einzuordnen sind auch Geiselnahme und Erpressung. Hierbei geht es darum, den Aufwand für die Tat zu verringern. Der kriminelle Erfolg und gegebenenfalls auch der Rückzug sollen durch Zugriff auf Codes von Sicherheitsbehältnissen, Erzwingen der Unterstützung durch Berechtigte usw. gesichert werden. Es darf nicht übersehen werden, daß sich besonders Geiselnahmen für derartige Absicherungen eignen und der Aufwand für den Schutz der eigenen Person oder der Familie in Deutschland durch bedrohte Personen vergleichsweise gering ist. Demzufolge sind auch die Möglichkeiten, sehr schnell professionellen Schutz zu erhalten, besonders in Deutschland immer noch eingeschränkt. Wir unterscheiden hier bewußt zwischen einem Personenschützer und einem Begleiter mit begrenzter Schutzfunktion, der vorrangig dem Image dient.
Jüngste Entwicklungen auf diesem Sektor erzeugen gemischte Gefühle. Einerseits sind Initiativen zur Bewachung von Kindern mit angrenzenden Transportdienstleistungen zu begrüßen. Andererseits werden diese Leistungen vor allem kostengünstig durch Existenzgründer und Reinigungsunternehmen ohne entsprechende Logistik und Sicherheitsstruktur angeboten. Es ist zu wünschen, daß diesen Unternehmern der Unterschied zwischen Personenschutz und Begleitservice mit Schutzfunktion bekannt ist und der schnelle Erfolg nicht zu fahrlässigen Angeboten verführt.
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Wir stoßen hier auf einen möglichen Teufelskreis: Geringe Nachfrage trotz objektiv höheren Bedarfs an qualifiziertem Wirtschaftsschutz und Personenschutz in Deutschland hat zu einem begrenzten und sehr differenzierten Angebot im Privatschutz geführt. Während die OK und andere Kriminelle in Osteuropa ein unerschöpflich scheinendes Reservoir an Nachwuchs haben, besteht der Kern des Privatschutzes in Deutschland aus der überwiegend mittelständig aufgebauten Objektbewachung. Gute Detektive und Personenschützer sind natürlich vorhanden, aber zahlenmäßig gering und oft auch sehr spezifisch tätig. Daneben gibt es eine Vielzahl gutwilliger, aber unzureichend Ausgebildeter und die schwarzen Schafe der Branche. Diese bieten entweder alles an oder halten sich mit fragwürdiger und überteuerter Ausbildung über Wasser. Bestimmte Unternehmen stellen eine Einstellung nur nach bezahlter Ausbildung an einer eigenen Schule in Aussicht.
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Der hohe Sicherheitsstandard und die geringen Bargeldbestände in deutschen und anderen westeuropäischen Banken veranlassen zu zwei weiteren Schlußfolgerungen:
1. Die kriminellen Angriffe auf Bargeld verlagern sich von den Banken zu privaten Dienstleistern für Geldtransporte und Geldbearbeitung. Zum einen ist der Sicherheitsstandard bei vielen mittelständigen Dienstleistern nicht mit dem in Banken vorherrschenden adäquat, und zum anderen finden wir bei Überfällen zunehmend die Beteiligung von Angestellten. Diese zwei begünstigenden Umstände für Überfälle und andere Delikte werden bis zum Euro-Umtausch nicht wesentlich verändert sein. Besonders die Geldbearbeitung scheint eine Schwachstelle zu sein2).
2. Banken und andere Geldinstitute sind zum Teil nicht mehr auf die Lagerung und Bearbeitung größerer Bargeldbestände eingerichtet. In der Phase des Geldumtauschs kann es dadurch zu zeitweiligen zusätzlichen Gefahren kommen. Bargeld allein in Deutschland im Umfang von über 2,6 Milliarden Euro-Banknoten und 6 Milliarden Euro-Münzen wird in einem kurzen Zeitraum umzutauschen sein. Die dabei einbehaltenen Banknoten und Münzen in D-Mark müssen parallel gelagert und transportiert werden. Sie behalten in dieser Zeit ihren Wert, und somit liegt eine permanente Bedrohung bis zur Entsorgung vor.
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Unter Beachtung der bereits jetzt ablaufenden Entwicklung in und der Erkenntnisse aus Osteuropa erkennen wir unter anderem folgende potentielle Tätergruppen:
- bereits gegenwärtig in Westeuropa operierende OK-Gruppen, wobei zeitweilig mit der Aufgabe beziehungsweise Erweiterung sogenannter traditioneller Wirkungsbereiche, zum Beispiel der rumänischen und polnischen Banden, gerechnet werden muß; festzustellen sind auch "Kooperationen" mit einheimischen Mittätern.
- Forcieren laufender Entscheidungsprozesse zur Straftat bei potentiellen internen Tätern oder kriminellen Gruppen mit internen Mittätern und damit auch Zunahme der Delikte durch vorrangig inländische Täter.
- Zunahme von Kriminellen aus Osteuropa, die noch nicht zu bekannten Gruppierungen der OK zählen, sich durch die geschilderte Entwicklung jedoch Chancen ausrechnen, quasi eigenständig Delikte ausführen zu können; festzustellen ist bereits jetzt das Auftreten neuer Tätergruppen aus Osteuropa und dem ehemaligen Jugoslawien3).
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Schon jetzt finden wir einige Betrugsdelikte beziehungsweise -versuche im Zusammenhang mit dem Euro-Umtausch. Besonders die Unkenntnis über den Euro, die neuen Banknoten und Münzen, die Modalitäten des Umtauschs und der Umstellung von Konten usw. eignen sich zur Vorspiegelung falscher oder Entstellung wahrer Tatsachen, der Erzeugung von Irrtümern und in der Endkonsequenz der Vermögensschädigung zum eigenen Vorteil. Dabei sollte man unabhängig von der juristischen Bewertung unterteilen in durch Unkenntnis begangene Delikte und bewußt angestrebte Vermögensvorteile.
Schon seit längerer Zeit sind Irrtümer ohne Vorteilsabsicht denkbar bei der Anwendung unzureichender Datenverarbeitungsprogramme, zum Beispiel bei der Verwendung falscher oder gekürzter Umrechnungskurse aufgrund von Software-Mängeln. Viele einfachen Buchführungsprogramme verarbeiten nur zwei bis vier Stellen hinter dem Komma. Dazu kommt das bekannte Jahr-2000-Problem. Es rächt sich jetzt die lange Ignoranz in manchen Führungsetagen der Wirtschaft.
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Weitere Betrugsdelikte
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Münzen und Medaillen: Durch das Gleichsetzen des Euro-Umtauschs mit Währungsumtauschen in der Vergangenheit mit damals realen Verlusten werden nach der Verunsicherung vorrangig unzureichend informierter Bürger Alternativlösungen in Form von Produkten des Grauen Kapitalmarktes, sogenannte "wertstabile" Münzen und Euro-Medaillen angeboten.
Umtausch: Bereits jetzt tätige Trickbetrüger, deren Zielgruppe vor allem ältere Mitbürger sind, werden den Umtausch für Betrugsdelikte mißbrauchen. Denkbar ist nach vorliegenden Erkenntnissen beispielsweise der Versuch, Bargeld als "Beauftragter" von Banken zum Umtausch abzuholen, angebliches Falschgeld einzuziehen oder Formulare gegen Gebühr auszufüllen.
Immobilien/Vermögensanlagen: Im Grenzbereich einzuordnen sind Versuche, die allgemeine Unsicherheit zum Verkauf an sich schwer absetzbarer Produkte aus dem Immobilien- und Vermögensanlagebereich auszunutzen. Die verschärften Zugangsformen in Deutschland in diesen Beratungs- und Vertriebsbereich sollten sich positiv auswirken. Hier wird die Rechtswidrigkeit vom Einzelfall abhängen, und dies ist in jedem Fall für das Image des Euros schädlich.
Beratung: Bereits in der Gegenwart festzustellen sind Versuche, den hohen Informationsbedarf durch angeblich neutrale, aber kostenpflichtige Beratungen zu mißbrauchen. Unterscheidungen zwischen seriös und unseriös sind deshalb schwer zu treffen, weil ein objektiver Bedarf an sachkundigen Informationen vorliegt und es neben den Banken viele legitime Formen der Beratung und anderer Dienstleistungen gibt. Immer dann, wenn der an sich kosten- und verlustfreie Umtausch als Risiko dargestellt wird, das man durch rechtzeitige Vermögensanlage mindern kann, ist Vorsicht und Überprüfung geboten.
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Ausnutzen formal legaler Möglichkeiten
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Die Unsicherheiten bei der Euro-Einführung verführen natürlich zu einer einschlägigen Zuordnung vieler ablaufender Entwicklungen in der kriminellen Szene. Davor sei gewarnt. Der Umtausch ist irgendwann bewältigt, aber die OK wird mit den erreichten Ergebnissen des Mißbrauchs des Umtauschs neue Wirkungsbereiche erschlossen haben und bewährte Formen krimineller Aktivitäten kontinuierlich fortsetzten, ausbauen und die zeitweiligen besonderen Bedingungen zielgerichtet einordnen und ausnutzen. Dann offenbart sich, ob aufgrund richtiger Beurteilung die Bekämpfung erfolgreich fortgesetzt werden kann.
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Dazu zählt auch der Mißbrauch der absehbaren Engpässe an Personal durch organisiertes Einschleusen krimineller oder noch unbescholtener, aber abhängiger Personen als potentielle Täter oder Informanten. Wir haben bereits heute festzustellen, daß die Einstellungskriterien durch Sicherheitsunternehmen aus wirtschaftlichen Gründen oder bei Engpässen vereinzelt unterlaufen werden.
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Auch die oft unangemessene niedrige Bezahlung für das "Vertrauensprodukt Sicherheit" muß langfristig als Risiko bewertet werden. Es ist in Osteuropa eine bewährte Vorgehensweise der OK, ausländischen Unternehmen bei ihrem Start kostengünstige und hübsche Buchhalterinnen mit exzellenten Fachkenntnissen anzudienen. Das festgestellte grob fahrlässige Suchen über Annoncen erleichtern dies. Dies wird nicht auf Osteuropa beschränkt bleiben.
Einzuordnen ist in diesen Komplex auch der Mißbrauch der Umstellung der Datenverarbeitung und -übertragung. Die Euro-Einführung bietet dazu gemeinsam mit dem Jahr-2000-Problem besonders günstige Bedingungen.
Die Berliner ISG mbH hat Anfang 1999 ein Unternehmen der Datenverarbeitungsbranche aus Osteuropa aus gegebenen Anlaß überprüft, das für ein großes deutsches Unternehmen kaufmännische Umstellungen in der Software bereits seit dem Sommer 1998 vornimmt. Eine ausreichende Überprüfung der Firma vor Übertragung dieser sensiblen Aufgaben war nicht erfolgt. Die Selbstauskunft des Unternehmens stimmte mit den Ermittlungen in Osteuropa nicht überein. So wurde ein Partner festgestellt, der Fragen nach Abhängigkeiten und Motiven der falschen Selbstauskünfte aufwarf.
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Bedrohungen aus dem Osten?
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Bestehen besondere Bedrohungen aus dem Osten? Grundsätzlich ist diese Frage zu bejahen.
Bedrohungen resultieren unter anderem aus
- den vorhandenen unkalkulierbaren Beständen an D-Mark und anderen westeuropäischen Banknoten und Münzen als Zweitwährung einschließlich des Falschgeldes
- den laufenden und absehbaren Aktivitäten der OK
- dem Mißbrauch der Umstellung auch durch an sich seriöse Unternehmen.
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Mit dem Euro-Umtausch entsteht das Problem, daß eine anerkannte Zweitwährung verschwindet und vorher umgetauscht werden muß.
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Dies ist weniger ein Problem der Unternehmen, die außerhalb der Staaten ihrer Unternehmenssitze Bankkonten in Westeuropa und der Karibik unterhalten. Für sie dürfte ausreichend Zeit und vor allem Kenntnis vorhanden sein, ihre Devisen zu tauschen. Aber sie werden natürlich ihre Erfahrungen und Möglichkeiten anderen Unternehmen und Privatpersonen profitabel anbieten.
Problematisch kann es für die kleinen und mittelständigen Unternehmen, viele Staatsunternehmen und vor allem den einfachen Bürger werden. Für Westeuropäer ist es wohl nur schwer nachvollziehbar - aber viele Familienvermögen bestehen in Osteuropa aus D-Mark und US-Dollar. Das die D-Mark tatsächlich in einer absehbaren Zeit ungültig ist, wissen viele noch nicht oder glauben es nicht. Gespräche in Osteuropa bestätigen, daß die Kenntnis von der Euro-Einführung noch erschreckend gering ist. Darauf setzt auch die OK und bereitet sich vor, quasi als Retter in der Not aufzutreten, wobei selbst dort noch erstaunlich viel Unkenntnis vorliegt.
Aber auch seriöse Banken und Versicherungen sehen eine Chance, ihre Produkte bei dieser Gelegenheit in neue Regionen zu verkaufen. Dies erfolgt über Partner oder eigene Tochterunternehmen vor Ort. Dabei sind deutsche Unternehmen noch gering vertreten4), andere westeuropäische Banken und Versicherungen werden immer aktiver. Ein Weg in den russisch-sprachigen Wirtschaftsraum ist Lettland. Auffallend ist auch das verstärkte Auftreten von Fondsgesellschaften und Direktverkäufern5). Durch die Probleme in der Kommunikation - auch das Internet ist zum Beispiel in Rußland noch eine Ausnahme - haben es einerseits etablierte Unternehmen schwer, ihre internationale Stellung glaubhaft zu vermitteln. Andererseits nutzen wendige Unternehmen diese Situation, um ihre Marktposition zum Teil erheblich überbewertet darzustellen.
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Juristisch liegen vorrangig folgende Situationen vor:
- Die Zweitwährung ist aus dem versteuerten Arbeitseinkommen eingetauscht worden. Ihr Erwerb ist somit zumindest geduldet. Die Bankenkrise seit 1994 hat bei vielen Bürgern die Altersrücklagen vollständig vernichtet, die Zweitwährung im Haus ist ihr letztes Vermögen. Entweder tauscht man es zu ungünstigen Kursen in den US-Dollar um oder sucht noch einem Ausweg.
- Die Zweitwährung ist als Ergebnis von Schwarzarbeit, nicht gebuchten Geschäften oder Scheingeschäften erlangt worden. Sie kann offiziell nicht genutzt oder getauscht werden. Es bleibt nur die Möglichkeit des illegalen Umtauschs oder der Anlage.
- Die Zweitwährung ist Ergebnis krimineller Geschäfte und Delikte, liegt zum Teil in kontrollierten Banken, Versicherungen und Unternehmen und muß ebenfalls getauscht werden. Hierbei sind zwei Szenarien denkbar, der Umtausch in den US-Dollar zur weiteren Sicherung der eigenen Geschäfte im Inland und der Umtausch nach illegaler Einfuhr in den neuen Währungsraum beziehungsweise unbar über vorhandene Kanäle.
Nicht nur in Westeuropa bereitet man sich auf den Umtausch mit viel Hoffnung hinsichtlich der Aufdeckung von Kriminalität vor. Auch die osteuropäischen Polizei-, Zoll- und Finanzorgane verfolgen analoge Ziele.
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Chancen für die Sicherheitsunternehmen
Dieses Thema steht eigentlich erst am Beginn ausführlicher Betrachtungen. Schnellstens gilt es, in den Unternehmen Sensibilität für diese neuen Formen der Bedrohung zu entwickeln. Die aktuellen Ängste im Zusammenhang mit den militärischen Entwicklungen
auf dem Balkan oder mit dem Jahr-2000-Problem in der Datenverarbeitung setzten aber noch andere Prioritäten.
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Wie kann das private Sicherheitsgewerbe bei der Bewältigung der Probleme beim Euro-Umtausch helfen?
1. Die allgemeinen Gefahren sind - auch durch externe Kompetenz auf konkrete Bedrohung gegen Personen und Unternehmen sowie deren Produkte zu analysieren. Dies kann eine Aufgabe von befähigten Sicherheitsberatern sein. Dabei ist das Internet nicht nur als Bedrohung, sondern auch als Chance zu sehen und einzubeziehen.
2. Erforderlich ist die Erarbeitung von Sicherungskonzepten und Maßnahmeplänen für die einzelnen betroffenen Bereiche, vor allem in privaten Einrichtungen. Hierbei sind die bekannten Gefahren und Bedrohungen durch die OK mit den genannten spezifischen Angriffsmöglichkeiten zusammenzuführen und komplexe Prävention zu planen.
3. Es sind konkrete Verdachtsmomente im In- und Ausland im Rahmen des Wirtschaftsschutzes unter Nutzung vorhandener Kontakte zu Partnern in Osteuropa diskret zu überprüfen, die Weichen werden in diesem Jahr gestellt. Es geht um die Angriffe, die ein Unternehmen oder seine Produkte speziell betreffen könnten. Man sollte nicht nur fragwürdige Absatzchancen sehen, sondern vor allem auch an die Zeit danach denken und daran, wer dann vielleicht mitbestimmen will.
4. Private Banken, Versicherungen und andere Unternehmen müssen hinsichtlich der neuen, begrenzten Aufgaben unterstützt, überprüft und geschützt werden. Für diese große Aufgabe gibt es kein Training, sie ist sofort Ernstfall.
5. Hinweise, Anzeigen und Vorfälle müssen sachkundig und zügig untersucht werden.
Betrachten wir dieses Thema somit an dieser Stelle nur als unterbrochen.
CD-Autor Dr. Lutz Viëtor ist Geschäftsführender Gesellschafter der
ISG International tätige SICHERHEITSGESELLSCHAFT mbH, Berlin
und Präsident der SIA Kruppa-SICHRHEIT, Riga (jetzt: SIA ISG BALTIJA Riga)
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Fußnoten:
1) Die nationalen osteuropäischen Währungen werden entweder nach Erwerb in DM oder USD umgetauscht oder Geschäfte werden staatlich geduldet in diesen Währungen bereits verrechnet, was nicht identisch mit einer Buchung ist.
2) Bei Fortbildungslehrgängen in Berlin schilderten Angestellte von Sicherheitsunternehmen u.a., daß die Geldbearbeitung durch geringfügig Beschäftigte erfolgte, ein häufiger Personalwechsel vorlag und dadurch auch zu Beginn ohne die erforderlichen Sicherheitsüberprüfungen gearbeitet wurde. Im Extremfall erfolgten unter Zeitdruck Einstellungen ohne Ausweispapiere.
3) Tätergruppen beschreiten auch relativ neue Wege, um ihre Delikte vorzubereiten. So wurde von russischsprachigen Tätern in Berlin einem Gewerbetreibenden für Informationen über günstige Gelegenheiten ohne Bedrohung Geld angeboten. Bisher erwarb man diese Informationen vorrangig unter Druck und über Korruption.
4) Die Mehrzahl deutscher Banken und Versicherungen in Osteuropa unterhält nur Vertretungen ohne operative Geschäfte.
5) Lange Zeit war dies eine eher untypische Vorgehensweise im Finanzbereich Osteuropas. Jetzt findet man in Osteuropa auch viele der Gesellschaften, die im Direktverkauf nach der Wende auch in Deutschland Erfolg hatten, diesen jedoch nicht auf dem erreichten Niveau stabilisieren konnten oder rechtzeitig verschwanden.